Zum Geburtstag wünschte ich mir einen Ausflug zum Modemuseum Meyenburg. Und so fuhren wir an einem heißen Wochenende im August von Berlin in die Prignitz. Völlig entlegen, absolut abseits von jeglichem textilem Treiben, in einem der am dünnsten besiedelten Gebiete Deutschlands, fast schon in Mecklenburg-Vorpommern, gibt es in Meyenburg, einem Städtchen mit nur 2400 Einwohnern, tatsächlich ein Modemuseum.

Seit 2006 beherbergt das Modemuseum Meyenburg auf mehr als 1000 Quadratmetern die Kleidersammlung von Josefine Edle von Krepl und zeigt 350 Kleider und Accessoires, also ein Zehntel ihrer Kollektion im Schloss inmitten eines weitläufigen Parks mit altem Baumbestand und durch den das Flüsschen Stepenitz fließt. Zu ihrer Sammlung gehören nicht nur Kleider, sondern auch sämtliche Accessoires, wie Spiegel, Schirme, Schuhe, Schmuck, Parfumflacons, Puderdosen und vieles mehr.
Vor gut 2 Jahren berichtete ich über die Ausstellung Brennender Stoff, eine Ausstellung zur Geschichte der Berliner Mode und jüdischer Konfektionäre rund um den Hausvogteiplatz, und war auf Sammlung wie Sammlerin aufmerksam und auf das Modemuseum neugierig geworden. Josefine Edle von Krepl, aus einer österreichischen Adelsfamilie stammend und 1944 in Fürstenwalde geboren, wuchs in Berlin (Ost) auf, nachdem sie kurz in ein Medizinstudium hineingeschnuppert hatte, studierte sie dann doch lieber Modedesign und Journalismus und arbeitete anschließend im Moderessort der „Frauenzeitschrift“ Für Dich. In den 1980er Jahren machte sie sich selbständig und eröffnete in Berlin-Friedrichshain eine der wenigen privaten Boutiquen in der DDR. Sie entwarf eigene Modelle, die sie unter ihrem Label Josefine verkaufte. 1990 übernahm sie Falbala, einen Antik-Modeladen in Berlin-Wilmersdorf und eröffnete 1996 eine Boutique am Kollwitzplatz im Prenzlauer Berg. Kleider und Modeartikel zu sammeln begann sie nach eigenen Auskünften schon in der Kindheit. Im hübschen Schloss Meyenburg nun hat ihre Sammlung einen würdigen Ort gefunden. Kleider von vor 1900 werden nicht gezeigt, da Josefine Edle von Krepl sie bei ihrer Ausreise aus der DDR nicht mitnehmen durfte.
Es sollte zu einem sehr schönen Geburtstagsausflug werden, das Wetter war herrlich, der Museumsbesuch anregend, und wie der Zufall es wollte, gab die Lotte Lehmann Akademie just an diesem Nachmittag ein Liedkonzert mit jungen Sängerinnen und Sängern im benachbarten Schlosstrakt, so dass dann und wann die schönen kräftigen Stimmen durchs Schlossgemäuer zu uns hinüber klangen.
Der Rundgang beginnt
Der chronologische Rundgang startet im kühlen Kellergewölbe. Der Besucher bekommt jedoch erst einmal das zu Gesicht, was unter der Oberbekleidung auf der Haut getragen wird: Unterwäsche.

Fein säuberlich geplättete Weißwäsche, aufgehängt mit Holzwäscheklammern an einer Wäscheleine über einer Mangelmaschine ist das Empfangsspalier, an dem jeder Besucher vorbeigehen muss.

Ein Blick auf den Fußboden zeigt, wie umsichtig man bei der Renovierung mit der alten Bausubstanz, das Schloss stammt aus dem 14. Jahrhundert, umgegangen ist: jede Unregelmäßigkeit im Mauerwerk wurde belassen, jede Bodendiele dem Wandprofil angepasst.

Das Kellergewölbe beherbergt Kleidung aus dem 19. Jahrhundert und frühen 20. Jahrhundert, an den Wänden steht passendes Mobiliar, wie ein Sofa, mehrere Stühle und auch eine schöne Tischnähmaschine von Naumann.

Eine Nähmaschine kostete noch weit ins 20. Jahrhundert hinein einen ganzen Jahreslohn einer Näherin und war somit eine teure Anschaffung und sehr wertvolles Werkzeug.

Im Hintergrund spielt ein kleines Orchester passende Musik aus der Zeit. Kleider sind in den Vitrinen ausgestellt, umgeben von den passenden Accessoires, Handschuhe liegen wie gerade abgestreift neben der Handtasche oder dem Schirm, der die zarte Haut vor der Sonne schützte, um die edle Blässe der vornehmen Damen zu bewahren.


Besonders beeindruckend fand ich dieses Cape, zu dessen Herstellungstechnik ich gerne mehr erfahren hätte.
In Raumnischen sind vorzugsweise Hochzeitskleider aus knisternder Atlasseide mit Spitzenbesatz zu sehen.

Man erfährt, daß es um 1900 durchaus noch üblich war in Schwarz zu heiraten, so konnten auch weniger gut situierte Frauen ihr Hochzeitskleid noch zu anderen festlichen Anlässen tragen.
An den Wänden hängen Werbeprospekte von Konfektionären. Leider waren sie wegen der stark spiegelnden Gläser nicht gut zu zu lesen oder zu fotografieren.


Kleider- und Kindermodelle trugen Frauennamen wie Mia, Edith, Helena und Suse, Melitta, Max und Harry, Blusenmodelle Namen deutscher Städte wie Wesel, Hamburg, Rostock, Röcke hingegen Elbe, Rhein, Unstrut und Werra. Am Rand eines solchen Prospektes steht vermerkt: „Anfertigung nach Maß innerhalb 24 Stunden!“ – Was für ein Service!
Die 1920/30er Jahre – es wird bunt!
Das nächste Kellergewölbe hält wesentlich farbenfrohere Mode aus den Zwanzigern parat mit Tanzmusik im Hintergrund.

Farblich passend sind die Kleider in Rot, Rosé und Burgund, die Kleider in warmen Lila- und Beerentönen und gelben beieinander versammelt.

Zu sehen sind Flapperkleider neben Mänteln, bestickte Teekleider aus Baumwolle und vielerlei mehr.

Besonders gut gefällt mir der in Rosatönen gehaltene gehäkelte Mantel.

Neben einem gedeckten Frühstückstisch stehen Figurinen mit asiatisch angehauchten Morgenmänteln.

Die Vitrinen sind ein wahrer Augenschmaus, so viel Einfallsreichtum, gewagte Kombinationen, exquisite Materialien, Farbenpracht und auch noch so viel dekorative Handarbeit. Leider fehlt bei eigentlich allen Exponaten Erklärungen zur Handwerkstechnik. Da hätte ich sehr gern mehr erfahren.

Mir gefällt die Zusammenstellung von Kleidung mit farblich passenden Accessoires, wie Handtasche, Kette, Zigarettendose, Parfumflakon oder Glasschalen für den Schminktisch.


Die 1930/40er Jahre
Im 1. Obergeschoss schließt sich die Mode der 1930/40er Jahre an.

An den Wänden hängen gerahmte Auszüge aus Modekatalogen mit Ratschlägen zur Auswahl eines Modells und mit Angaben zum Stoffverbrauch. So eignet sich das zartlila Abendkleid aus Taft, recht auf der Seite, für „jüngere vollschlanke Damen“.

Die Formenvielfalt ist erschlagend. Etliches mag ja recht bieder erscheinen, aber es sind so viele kleine dekorative Details an Hüten, Gürtellösungen, Ärmelansätzen, Raffungen und Ausschnitten zu entdecken.

Ab und zu findet sich sogar ein Beispiel für Kindermode, hier ein Junge im gestrickten Trachtenanzug mit farblich abgesetzten Kanten.

Einige Modelle – es mag der räumlichen Enge geschuldet sein – stehen leider so dicht beieinander, daß nur die vorderen Reihen gut zu sehen sehen sind, obwohl einen doch das hübsche Kleid mit dem plissierten Oberteil und dem schwarzen Bubikragen interessiert – und das steht nun ausgerechnet ganz hinten in der Ecke der vierten Reihe und ist völlig unerreichbar.

Auch die ersten beiden Reihen sind aufgrund der Aufstellung im Gegenlicht nicht wirklich gut zu betrachten. Schade!

Die Vitrinen sind ein wahres Füllhorn an Einfällen, Form- und Farbenpracht.

Da liegen Knöpfe, Perlentaschen, geflochtene Korbtaschen, bunt bestickte und mit Bändern verzierte Korbhüte, neben mit bunten Perlen bestickten Gürteln. Und wieder einmal dachte ich so bei mir: Stick doch mal!
Kleine Frage am Rande:

An den Wänden die passenden Werbeplakate. Ganz hoch an der Wand ein Plakat mit der Aufschrift: „Wolle ist zum Stricken da“. Offenbar ein für den öffentlichen Raum konzipiertes Reklameplakat.
Jetzt versucht euch mal zu erinnern: Wann habt ihr außerhalb einer sogenannten Frauenzeitschrift Werbung für Strickwolle gesehen?
Die 1950er Jahre

Die Vitrinen in den Räumen für die 1950er Jahre waren ziemlich aufschlussreich: viel auffälliger Modeschmuck, noch schrillere Schmetterlingsbrillen, Partyzubehör wie ein Bretzelspender, Schalen mit kleinen Figurinen, die wohl Exotik verkörpern sollten.



Tütenlampen, Teewagen und Nierentische vermitteln den Einrichtungsgeschmack der 1950er Jahre, währenddessen Elvis mit samtener Stimme im Hintergrund dahinschmachtet.

Die Taille wird wieder ganz schmal, der Hüftgürtel angezurrt, dabei verhüllen ausladende Petticoats unter den weit schwingenden Tellerröcken jeglichen Hinweis auf Po und Hüfte.


Die 1960er Jahre – echt modern
Eine erste Vitrine zeigt zwei zarte Ballkleider von 1967 und 1968 von Heinz Oestergaard. Oestergaard hatte nicht nur die Uniformen für Polizisten und Zollbeamte entworfen, sondern auch – wie heißt es doch so schön – die ‚Damen der Gesellschaft‘ eingekleidet. Unter seinen Kundinnen waren viele Prominente wie Hildegard Knef, Romy Schneider oder Maria Schell.

Zur selben Zeit ließ er sich aber auch vom Versandhaus Quelle als Modeberater anwerben, also 40 Jahre bevor H&M sich immer mal wieder eines Topmodedesigners bediente. Von Oestergaard stammte auch die Parole „Mode für Millionen“.

Die Kleider wurden kürzer, die Schnitte einfacher, die Farben eindeutiger, man setzte Kontraste. Die Kleider erhielten eine A-Form, gern auch als unkompliziertes Shiftdress. Innerhalb dieser einfachen Kleiderform wurde mit geometrischen Mustern experimentiert.


Der rote Mantel ist aus reiner Wolle und ein Modell von Louis Féraud aus dem Jahr 1967. Man setzte Farben in Blöcken kontrastierend nebeneinander oder kombinierte Stoff mit Leder. Ganz rechts ein Clair-Kleidermodell aus Jersey in zwei Farben von 1966, die Ansatznähte sind mit Posamentborte verziert, den Saumabschluss bildet eine Kante aus Kunstleder.

Und was sind das für herrliche Stiefel!
Die 1970er Jahre
Die Räume der 1970er Jahre sind eine echte Zeitreise, psychedelische Farbexzesse neben bunten Häkelorgien und Plateausohlen, dazu Abba trällernd im Background.

Man liebte großflächige Muster, gerne in Kombination mit Orange und Dunkelbraun. Die Herren scheuten sich ebensowenig vor auffälligen Farben, Mustern und seltsamen Haartrachten.

Auch für Selbermacher waren die 1970er Jahre eine gute Zeit, wie man an den bunten Häkelwesten sieht. Jeder konnte sich mit einfachen Handarbeitstechniken, wie Stäbchen, Luftmaschen und ein paar Wollresten seine Garderobe basteln. Das Ergebnis waren Unikate: bunt, individuell und peppig – eben nicht von der Stange. Man sollte ruhig sehen, daß es handgemacht, am besten noch selbstgemacht war.

Nichts konnte zu bunt, zu schräg, zu ausgefallen sein.
Umso auffälliger ist ein dezentes Nachmittagskleid von Anfang der 1970er Jahre von Karl Lagerfeld für Chloé, das seine Vorlieben für klare Linien und die Kombination von Weiß und Schwarz vereint.

Scheinbar schlicht und einfach, ein wirklicher Kontrapunkt zur damaligen überschwänglichen Beliebigkeit. Es war die Zeit, in denen die Kleidung der Hippies schon längst zur Mode an den Verkaufstangen der Warenhäuser hing. Wie ein Fremdkörper aus einem anderen Universum steht es zwischen den anderen quietschbunten Kleidern derselben Dekade.
Mit Kleiderbeispielen aus den 1970er Jahren endet der Rundgang im Museum. Jüngere Beispiele aus der Welt der Mode werden nicht ausgestellt.
Hier noch ein kleiner Tipp zum Schluss:
Wer denn ermattet vom Durchlauf durch mehrere Jahrzehnte Modegeschichte ist, erholt sich entweder bei einem Spaziergang im schönen Schlosspark oder gönnt sich den leckeren hausgebackenen Kuchen im museumseigenen Café. Wir entschieden uns bei unserem Ausflug für den Park und suchten uns einen kühlen Badesee.
L. von fabricandacuppa
Wer Lust bekommen hat, sich auf den lohnenden Weg in die Prignitz zu machen, hier sind einige Informationen:
Modemuseum Meyenburg
Schloss Meyenburg e.V.
16945 Meyenburg – Schloss 1
Januar bis Dezember
Dienstag – Sonntag 11-17 Uhr
www.modemuseum-schloss-meyenburg.de
Eintritt 8 Euro, Ermäßigt 6,00 Euro, Kinder 4 Euro
Für 2 Euro erhält man die Genehmigung zu fotografieren